Der Ur-Reporter: Die Reiseberichte des Herodot
In seinen neun Bände umfassenden „Historien“ schildert der „Vater der Geschichtsschreibung“ den Aufstieg des Perserreiches im späten 6. Jahrhundert v. Chr. sowie die Perserkriege zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. Zwar nehmen die Eroberungszüge der Perser, ihre Ausdehnung nach Kleinasien, Babylonien, Ägypten und Libyen, in den Kaukasus bis nach Indien einen großen Teil der Aufzeichnungen ein.
Aufschließen neuer Horizonte
Doch öffnet Herodot den Blick für die Vielfalt der Welt wie keiner vor ihm, fasst die von ihm bereisten Länder und Landstriche scharf ins Auge, berichtet über die dort ansässigen Völker, ihre Lebensfomen, Sitten, Götter und religiösen Riten und bettet sie ein in die vorherrschenden Macht- und Gesellschaftsstrukturen. Überdies beschreibt die jeweiligen geografischen und klimatischen Bedingungen und die Pflanzen- und Tierwelt der verschiedenen Regionen. Nach eigener Angabe ist er weit herumgekommen: bis nach Ägpten, Thrakien und Makedonien, ans Schwarze Meer, ja bis in den Vorderen Orient nach Babylon.
Wahr oder nicht wahr?
Doch wie glaubwürdig sind Herodots erstaunlich präzise und umfangreiche Berichterstattungen in den „Historien“, dem einzigen erhaltenen Werk des umtriebigen Schriftstellers? War er tatsächlich stets als Augenzeuge vor Ort, wie es seine Schriften glauben machen wollen? Schließlich gilt er bei vielen Ereignissen als einzige Quelle. Bereits in der Antike zweifeln Menschen manche Ausführungen an. Rund 450 Jahre später stellt Plutarch ihn in einem Traktat gar als Lügner dar. Doch mit dem bis heute gängigen Beinamen „Vater der Geschichtsschreibung“ hat ihn kein geringerer geadelt als der große Schriftsteller, Philosoph und Politiker Cicero. Der damit den Blick auf den modern-kritischen, nach Erkenntnissen ringenden und Überlieferungen hinterfragenden Herodot wendet, der Quellen namentlich erwähnt und auf ihre Glaubwürdigkeit hin überprüft.
Kostproben im Wortlaut
„Dies ist die Darlegung der Forschung (griech. Historie) des Herodot aus Halikarnassos, damit die Taten der Menschen nicht durch die Zeitläufe vergehen, damit die großen und bewundernswerten Taten nicht ruhmlos vorübergehen, die auf der einen Seite von den Griechen und auf der anderen Seite von den Barbaren an den Tag gelegt wurden. Das alles hat er dargelegt, sowie aus welcher Ursache sie einander bekriegt haben.“
(Herodot: Proömium der Historien)
„Wenn man allen Völkern freistellte, sie sollten sich aus allen Sitten und Gebräuchen die besten aussuchen, so würden sie alle nach genauer Untersuchung ein jeder die seinigen wählen; so glaubt jeder, daß seine Weise bei weitem die beste ist. […] Das ist einmal so, und Pindaros scheint mir Recht zu haben, wenn er sagt: die Sitte sei aller Menschen König.“
(Historien III, 38)
„Ich soll Überlieferungen überliefern, aber nicht alles und jedes glauben.“
(Historien 7, 152,3)
„Ferner erziehen sie (die Perser) die Knaben, vom fünften Jahr an bis zum zwanzigsten, nur in Dreierlei: Reiten, Bogenschießen, Wahrheit reden.“
(Herodot’s Geschichte, übersetzt von Adolf Schöll, Erstes Bändchen, Stuttgart 1828)
Nachlesen im Netz
Weitere Netzquellen
- > „Meine Reisen mit Herodot“ > Über das Buch von Ryszard Kapuściński (Quelle: saetzeundschaetze.com)
- > „Reporter ohne Grenzen“ (2006) > über dito (Quelle: faz.net)
- > „Ein Dichter und sein Lenker“ (2006) > Ein Porträt über den Reporter Ryszard Kapuściński von Klaus Brinkbäumer (Quelle: spiegel.de)
- > „Herodot als Meister: Viele kleine Konflikte“ (2007) > über erzählerische Muster in der Geschichtsschreibung, von Katharina Wesselmann (Quelle: faz.net)
- > „Herodot – Vater der Geschichtsschreibung?“ > von Volker Schaper (Quelle: einfach-antike.de)