Gilgamesch-Epos: Porträt feiert Weltpremiere

Gilgamesch-Epos: Porträt feiert Weltpremiere

Was zeichnet ihn aus? Wie hat er gelebt? Was hat er erreicht? Das Interesse am Menschen ist so alt wie der Mensch selbst. Bereits der älteste erhaltene Text der Weltliteratur gleicht einem Porträt und rahmt das Leben eines außergewöhnlichen Herrschers für die Nachwelt ein: Der sumerische König Gilgamesch ist die Zentralfigur des gleichnamigen, auf zwölf Tontafeln überlieferte Epos und anderen altorientalischen Dichtungen, die ihn als überragenden – doch offenbar auch tyrannenhaften – altbabylonischen Herrscher und Abenteuer-Helden schildern. Außergewöhnliche Kräfte, Furchtlosigkeit und große Weisheit, etwa im rituellen Umgang mit den Göttern, zeichnen ihn der Überlieferung zufolge aus. „Derjenige, der in die Tiefe sah“: So betitelt ihn das Epos von der zweiten Hälfte des zweiten Jahrtausends v. Chr. an. Eine frühere Version weist ihn aus als „Derjenige, der alle anderen Könige übertraf“.

Ringen um Unsterblichkeit

Der zu den mächtigsten Herrschern seiner Zeit Zählende erlangt früh selbst gottähnlichen Status. Vergeblich sucht er nach eigener Unsterblichkeit, muss aber erkennen, dass dieses Vorrecht nur Göttern gegeben und Leben und Sterben der menschlichen Natur einbeschrieben ist.

Feier der ersten Hochkultur

Sein Herrschaftsgebiet mit der Hauptstadt Uruk, der damals mit Abstand größten Metropole, erstreckt sich im südlichen Mesopotamien. Die in Stadtstaaten organisierte Region des legendären Zweistromlandes erwirbt sich unter den Sumerern große politische Bedeutung und avanciert zur ersten Hochkultur der Menschheit: mit der Entwicklung der Keilschrift, ihrer Monumentalarchitektur – darunter der Bau vieler Tempelanlagen und der mächtigen, über neun Kilometer sich erstreckenden Stadtmauer – sowie einem gut organisierten Staatswesen und der Aufzeichnung wirtschaftlicher und administrativer Vorgänge.

Kostproben im Wortlaut

„Der alles gesehn hat überall, das Land regierte, Der die Ferne kannte, Jegliches erfaßt hatte,
. . . er gleichermaßen;
Alles an Kenntnis der Dinge allzumal hatte Anu ihm bestimmt.
Verwahrtes auch sah er, Verborgenes erblickte er;
Hat Kunde gebracht von vor der Sintflut, Fernen Weg befahren, war dabei matt einmal und wieder frisch, Auf einen Denkstein hat er die ganze Mühsal gemeißelt. Die Mauer um Uruk-Gart ließ er bauen,
Um das heil‘ge Eanna, den strahlenden Hort.“

„Überragend ist er weit voran den Königen, der Ruhmreiche von schöner Gestalt,
Der heldenhafte Abkömmling von Uruk, der stößige Stier.
Er geht voran, ist der Allererste;
Er geht hinterher, ist die Stütze seiner Brüder, Ein starkes Kampfnetz, der Schirm seines Heerbanns; Eine wilde Wasserflut, die Steinmauern zerstört, Sproß des Lugalbanda, Gilgamesch, der an Kräften Vollkommene, Kind der erhabenen Kuh Rimat-Ninßun.“

Nachlesen im Netz

Weitere Netzquellen

  • > „Gilgamesch“ (aus: „Magie und Zauberei in der alten Welt“ / 1927) > von Kurt Aram (Quelle: projekt-gutenberg.org)
  • > „Gilgamesch“ (2007) > aus WiBiLex – Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet (Quelle: bibelwissenschaft.de)

Schluss-Worte

Elias Canetti



… eine ungeheure Konfrontation mit dem Tod, die einzige, die den modernen Menschen nicht mit dem bitteren Beigeschmack des Selbstbetrugs entlässt.

 

Elias Canetti

(1905 - 1994)

Rainer Maria Rilke


Gilgamesch ist ungeheuer! Ich kenns aus der Ausgabe des Urtextes und rechne es zum Größesten, das einem widerfahren kann. Von Zeit zu Zeit erzähl ichs dem und jenem, den ganzen Verlauf, und ich habe jedesmal die erstaunendsten Zuhörer.

Rainer Maria Rilke

(1875 - 1926 / aus einem Brief an Katharina Kippenberg, 11.12.1916)