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Radio-Feature
> Javi Martinez: Der Löwe aus Ayegui > (PORTRÄT)
> Erling Haaland: Warten auf die Thronfolge > (PORTRÄT)
> Die Traumfabrik – Von Hartz IV zur Haute Couture > (REPORTAGE)
> Yesterday – Am Anfang war das Wort > (REPORTAGE)
> Blind – und die andren Sinne schlummern nur > (RADIO-FEATURE)
Entstanden im Juli 2020
Der Löwe aus Ayegui
Er kam, sah und siegte: 85 Mal in den ersten 100 Ligaspielen für den FC Bayern. Welt- und Europameister Javi Martinez ist ein Rekord- und Trophäen-Mann. Mit dem sogar der Rekordmeister sich selbst übertrifft. Weil der Spanier auf dem Platz seine Fäden im Schatten zieht und andere glänzen lässt. Nach acht Jahren stehen die Zeichen beim einst teuersten Bundesliga-Transfer auf Abschied – und Heimkehr.
Mit 13 Jahren rannte ihn ein Stier um. Ohne Erlaubnis hatte Javier an einem ‚Toreo‘ teilgenommen, doch kommt der Junge mit ein paar Blessuren davon. Um eigene Verluste schert er sich wenig. In seinen Adern fließt baskisches Blut. Ein Feuerstrom. Als Profi hat Javier Martínez Aginaga, den alle nur Javi nennen, immer alles gegeben in den Arenen auf der Fußball-Weltkarte. Der Preis steht ihm inzwischen mehr und mehr ins schmale, sanftkantige Gesicht geschrieben. Hochgewachsen ist der Torrero mit den verstrubbelten dunklen, leicht angegrauten Haaren, Dreitagebart und den engstehenden dunklen, oft wie erstaunt weit aufgerissenen Augen, die Taktiken lesen und Spielzüge vorausahnen können. Ein auf das Gardemaß von 1,92 Meter geschraubtes Bündel pure Energie. Konzentriert bis in die kleinste Körperzelle. Wuchtig. Entschlossen. Aggressiv. Ausdauernd. Bodennah. „Zweikampf“ lautet eines seiner Lieblingswörter im Deutschen. Seine Stärken stellt er in den Dienst der Mannschaft. „Ich versuche immer positiv zu sein und meine Mitspieler mitzureißen“, bekräftigt der Defensivspezialist. „Und will immer dafür sorgen, dass wir unseren Spirit im Team behalten. Das ist wahrscheinlich das typisch Baskische an mir.“ Ein „Mentalitätsmonster“ nennen ihn die Kollegen.
„Sehr zuverlässig, loyal, korrekt“, erinnert sich Trainerlegende Jupp Heynckes des baskischen Menschenschlags. Zweimal hat er den hiesigen Vorzeigeklub Athletic Bilbao für jeweils zwei Jahre betreut. Bei seinem ersten Engagement formt er von 1992-94 aus den abstiegsbedrohten „Löwen“ eine erfolgshungrige Elf aus vielen Talenten und führt sie in den UEFA-Cup. „Wissen Sie“, fragt Heynckes, „was mir an Athletic und den Menschen im Baskenland immer imponiert hat? Das gesprochene Wort gilt, auf einen Handschlag kannst du dich hundertprozentig verlassen.“ Spiegelt nachgerade der Verein die Vorstellung einer prinzipientreuen, verlässlich-verschworenen Gemeinschaft: Um zu den Leones zu gehören, müssen die Spieler im Baskenland geboren sein oder eine Ausbildung bei einem baskischen Klub genossen haben. „Die Jungs in den Jugendmannschaften haben alle ein Ziel: Sie wollen Profi bei Athletic Bilbao werden.“
Vision und Verzicht
Basketball oder Fußball? Der kleine Javier zögert. Noch ist seine Welt klein. Rund 1000 Einwohner zählt Ayegui, ein kleiner Ort am Jakobsweg, zu Füßen des Montejurra. Die Region Nevarra ist eine kultur- und geschichtsträchtige Gegend, die über eine lange Tradition des Weinanbaus verfügt. Dann steht Javiers Entschluss fest. Er verschreibt sich CD Berceo, einem Klub in Logrono in der Region La Rioja. Das Ziel ist klar. Ihm ordnet Javier alles unter. Bereits mit 15 Jahren spielt er in der zweiten Mannschaft von Osasuna in der dritten spanischen Liga. „Wenn deine Freunde anfangen, Party zu machen, musst du zu Hause bleiben“, blickt der große Javi zurück. „Du bist außen vor, derjenige, der nicht dabei ist, weil er ja Fußballer werden will.“ Der Ritterschlag erfolgt mit gerade einmal 17 Jahren: Für stolze sechs Millionen Euro wechselt der Ehrgeizige zu den „Löwen“ von Athletic Bilbao. Und tritt ein in eine wie aus der Zeit gefallene Enklave aus baskischstämmigen Profis, umgeben von multinationalen, kommerzgetriebenen Kaderwelten. Den Novizen erwartet eine einmalige Symbiose mit den Fans: „Wenn du für Athletic spielst, vergöttert dich jeder und projiziert damit Erwartungen auf dich, die nahezu unmenschlich sind. Damit musste ich erst mal umzugehen lernen.“ Am 27. August 2006, wenige Tage vor seinem 18. Geburtstag, wirft ihn der Trainer in La Liga gegen Real Sociedad erstmals in die Manege des imposanten Estadio de San Mamés: Aus dem Stand avanciert der Debütant zum Stammspieler im defensiven Mittelfeld. Sechs Jahre lang. In dieser Zeit ruft auch die Nationalmannschaft, mit der er 2010 den Welt- und 2012 den Europameister-Titel erringt.
Umworben und zur Schau gestellt
Abseits des Platzes poliert der mit dem Spitznamen „Der schöne aus dem Norden“ Gerufene sich auf Hochglanz: in engen Shorts als Unterwäschemodel der Marke „Soy“ und mit Model Maria Imizcoz an seiner Seite. In seiner Heimatstadt Ayegui eröffnet er das „Durban“, ein Restaurant mit traditioneller Küche von hoher Güte, die Karte reicht von Grillgerichten über Meeresfrüchte bis zu erlesenen Weinen. Ein „Projekt auf Lebenszeit“, wie Javi es nennt, und Reminiszenz an seine Premiere für Spanien während der Weltmeisterschaft im südafrikanischen Durban. Lässt die Zeit es zu, greift der Erfolgsverwöhnte zum Basketball und in die Saiten seiner Gitarre oder legt R`n`B-Musik von Jay-Z und 50 Cent auf. Dann klopft der deutsche Rekordmeister an. Und wedelt mit so vielen Geldscheinen wie nie zuvor für eine Neuverpflichtung. Blättert nach zähen Verhandlungen 40 Millionen Euro für den in Deutschland weitgehend unbekannten Defensiv-Allrounder hin. Weil der Trainer ihn unbedingt haben will und Spanisch spricht. Sein Name: Jupp Heynckes. „Er ist der Mosaikstein, der uns gefehlt hat“, verteidigt der Coach seinen Wunschspieler. „Er kann ein Spiel lesen.“
Der lang Umworbene zeigt sich ob des neuen Umfeldes überrascht: „Es war alles absolut andersartig als das, was ich vorher erlebt hatte. Alles war bis ins kleinste Detail organisiert.“ Wieder akklimatisiert er sich schnell und feiert an seinem 24. Geburtstag seinen ersten Pflichtspieleinsatz. In der 77. Minute, beim Stande von 6:1 gegen Stuttgart, betritt er den Rasen in der tosenden Allianz-Arena, für ihn trabt Lokalmatador Bastian Schweinsteiger vom Spielfeld. „Der Lärm war ohrenbetäubend und der Empfang der Fans spektakulär“, schwärmt Javi Martinez noch heute. Mit ihm gerät der FC Bayern in einen unvergleichlichen Lauf und krönt am Ende der Saison sein erfolgreichstes Jahr in der Vereinsgeschichte mit dem Triple aus Meisterschaft, Pokal und dem Champions-League-Sieg gegen Dortmund: „Als der Schlusspfiff des Schiedsrichters ertönte, erinnerte ich mich einen Moment lang an mein ganzes Fuβballleben – als ich mit fünf Jahren anfing, an alle Momente, die ich im Fußball erlebt habe, seit ich in Ayegui das erste Mal Fuβball spielte.“ In den nachfolgenden sieben Spielzeiten fährt Javi Martinez mit den Bayern sieben weitere Landesmeisterschaften ein. Ein weiterer Rekord. Wie auch die Monumentalmarke, die der Spanier in dieser Epoche sich selbst setzt: 85 Siege in den ersten 100 Ligaspielen.
Zwischen den Welten
Räume strategisch öffnen und Passwege zustellen, auf den nächsten Ballgewinn lauern: Als „Sechser“ vor der Abwehr agiert Javi Martinez eher im Unsichtbaren, schnörkellos, hält anderen den Rücken frei und überlässt Exzentrikern wie Arjen Robben das Spektakel. Tritt durch präzise Zuspiele in die Tiefe, wenige eigene Fehler oder Tore kurz ins Rampenlicht hinaus, und taucht alsdann wieder ab in die Schaltzentrale, seinen Schutzraum. Javi Martinez verschwindet gerne von der Bildfläche. „Manchmal möchte ich abstreifen, dass ich ein erfolgreicher Fußballer beim FC Bayern bin“, gesteht er dem Sokrates Magazin: „Dass ich viele Fans habe. Dass auf meinen Schultern viel Verantwortung liegt. In diesen Momenten möchte ich einfach nur relaxen, den Kopf ausschalten und alles um mich herum vergessen.“ Der Welt entsteigen. Berggipfel bezwingen: „Einmal erklomm ich im Winter mit Freunden die Gipfel in den Pyrenäen“, erzählt er. „Oben zeigte das Thermometer minus acht Grad. Wir bauten uns für die Nacht ein Iglu. Und als wir dann morgens aufwachten, war es wie in einem Traum: Beim Sonnenaufgang verwandelte sich der Schnee in ein weißes, glitzerndes, leuchtendes Meer. Ich habe so etwas Schönes noch nie gesehen.“ Javi Martinez ist ein aufmerksamer, neugieriger Mensch, offen für politische und gesellschaftliche Themen, neue Horizonte: „Ich möchte die Welt sehen und schmecken.“ Zu den baskischen Unabhängigkeitsbestrebungen äußert er sich nicht, jedenfalls nicht öffentlich. Auf seinen privilegierten Lebenswandel blickt er mit kritischen, wachen Augen: „Durch den Fußball habe ich das Glück, schon in vielen Ecken unserer Erde gewesen zu sein. Aber zumeist in meiner Rolle als Profispieler Javi Martínez. Und nicht als Javi. Als Javi bewege ich mich anders. Als Javi brauche ich den Himmel mehr als ein Hotel.“
Zumindest bei den Bayern deutet sich ein Ende des Pendelns zwischen Trainingsplätzen und Stadien, Luxusherbergen und öffentlichen Auftritten an. Mit fast 32 Jahren lassen Schnelligkeit und Ausdauer je und je nach. Nach 15 Profijahren liest sich seine Krankenakte wie ein Fortsetzungsroman: Muskelbündelriss, Knieschmerzen, Oberschenkelprobleme, Kreuzbandriss, Patellasehnenreizung, Meniskusschaden, Leistenoperation. Zudem hat ihm der Arbeitgeber mit Lucas Hernandez und Benjamin Pavard zwei neue junge Defensivkonkurrenten vorgesetzt, und der ehemalige Außenverteidiger Joshua Kimmich bewegt längst souverän die Hebel in der Schaltzentrale. Die auch Leon Goretzka und Tiago jederzeit übernehmen können.
Ruf der Heimat
Ganz oder gar nicht. Javi Martinez ist kein Mann für die Ersatzbank. Er ist für die Manege geboren. An Interessenten mangelt es auf dem Markt nicht. Einer hat bereits mehrfach lautstark die Hand gehoben: Aitor Elizegi, der Präsident von Athletic Bilbao. Zwar besitzt Javi Martinez ein gültiges Arbeitspapier bis zum 30. Juni 2021, doch haben die Münchner ihm offenbar eine vorzeitige Freigabe für einen Wechsel erteilt. Kehrt der Löwe zur ersten großen Liebe zurück, schlösse sich der Kreis seiner Karriere. Einmal Baske, immer Baske. „Ich bin meinen Wurzeln immer treu geblieben“, betont der zweifache Vater, dessen Beziehung zur Mutter Aline Brum, einem brasilianischen Model, „Bild“ zufolge derzeit eine „Liebespause“ macht. „Ich bin stolz auf meine Herkunft und besonders auf mein Dorf“, streicht er heraus.
Ein Arbeiter im Profikosmos. Geerdet im Diesseits. In der Coronakrise begleitet Javi Martinez Helfer des Roten Kreuzes beim Einkauf von Lebensmitteln für Personen, die zur Risikogruppe zählen. Im blauen Jogginganzug, mit Handschuhen und Mundschutz, im Arm einen Einkaufskorb. Und stellt die vollen Tüten vor den Haustüren ab. Auf Instagram postet die Rot-Kreuz-Bereitschaft Grünwald zwei Bilder. Die er nicht braucht. Und klarzustellen versucht: „Ja, das bin ich. Jemand, der einfach seinen Interessen und seinem Herzen folgt. Ohne dabei beobachtet oder bewertet zu werden. Das geht aus bekannten Gründen aktuell zu selten. Aber die Zeit wird kommen, dass ich viel mehr Javi sein werde, als ich es jetzt sein kann.“
Entstanden im Juni 2020
Warten auf die Thronfolge
Ein Mann, ein Tor: Nach überstandener Verletzungspause krönt Erling Haaland seinen Kurzeinsatz gegen Düsseldorf mit dem Last-Minute-Siegtreffer. Und knüpft damit an seinen märchenhaften Einstand für Borussia Dortmund an. Längst sind die vollen Ränge leer, doch das Staunen lebt wieder auf: über den urgewaltigen Drang zum Abschluss, die filigrane Ballbehandlung, seinen unbändigen Siegeshunger. Ein Hüne von Junge, wie gemalt für die „gelbe Wand“. Und das Produkt einer aus norwegischem Holz geschnitzten, akribisch geplanten Karriere.
Nach seinem 1:0 dreht er ab und rennt vor der Geisterkulisse mit weit ausgebreiteten Armen zur Seitenlinie, dorthin, wo das Auge der Fernsehkamera wartet, sinkt im Schneidersitz auf den Rasen und lässt die Handrücken auf den Knien ruhen. Längst hat sich Erling Haaland (*2000) die Meditations-Pose nach seinen Treffern zu eigen gemacht. Doch diesmal ist es Neymar, der brasilianische Superstar in Diensten des Star-Ensembles von Paris St. Germain, der die geklaute Grußbotschaft in die Welt schickt – und den jungen Norweger zum Statisten degradiert. Nach Spielschluss ahmen gar alle Pariser Kicker den Yoga-Jubel nach. Es ist das Aus für Erling Haaland und Borussia Dortmund am 11. März in der Champions League.
Zu Höherem berufen
Grenzen scheint die Karriere des 1,94 Meter großen bulligen Stürmers mit den flachsblonden, zurückgegelten Haaren und dem breiten, schelmenhaften Bubi-Grinsen bis dato nicht zu kennen. Bei seiner Bundesliga-Premiere im Januar gegen Augsburg steuert er binnen zwanzig Minuten drei Treffer zum 5:3-Sieg bei. Deren zwölf stehen nach weiteren elf Pflichtspielen in Folge zu Buche, Rekord. „Dadurch, dass meine Mitspieler so gut sind, war es vom ersten Moment an einfach“, wiegelt der Rekordmann ab, der Fachleute und Fans bis zum Lockdown gleichermaßen elektrisiert – mit seiner Wucht und Leichtfüßigkeit, der knabenhaften Unbekümmertheit, dem ungeheuren Antritt: 60 Meter in 6,64 Sekunden, nur drei Zehntel Sekunden über dem Weltrekord von Christian Coleman. Dazu die Kälte und messerscharfe Präzision beim Abschluss, wie das 1:0 per Kopf gegen Düsseldorf belegt.
Erling Haalands derzeitiger Marktwert ist mit 72 Millionen Euro datiert. „Ich wusste schon immer, dass ich gut war, aber es ist so ein langer und harter Weg“, konstatiert der Youngster, der im Einklang mit sich selbst scheint und durch Meditation neue Reserven schöpft. Vielversprechendes prophezeit bereits sein Vorname, der so viel bedeutet wie „Sohn eines noblen Mannes, Kämpfers oder auch Prinz im Sinne von Thronfolger“. Die große Liebe des Prinzen ist der Ball, die Freundin wartet noch.
Talent und harte Schule
Sportlich ist Haaland vorbelastet. Die Mutter Leichtathletin, der Vater Profikicker. Über zweihundert Spiele absolvierte Alf-Inge Haaland in der Premier League, 34 Mal lief er für Norwegen auf. Eine schwere Knieverletzung besiegelte das Karriereende mit 29 Jahren. „Mein Vater ist mein größtes Vorbild“, unterstreicht der Hochbegabte die Bedeutung seines größten Kritiker und Förderers. Als der Junior im englischen Yorkshire die Welt betritt, ist der Vater gerade von Leeds United zu Manchester City gewechselt. „Ein kleiner, dünner Junge“, erinnert sich Lars Sivertsen, ein norwegischer Journalist und ehemaliger Nachbar aus dem norwegischen Bryne. In der Jugend weisen die Trainer dem Hänfling stets ältere und größere Gegenspieler zu und fördern damit den ersten Ballkontakt, Technik und Laufwege.
Von Level zu Level – im Sauseschritt
Mit gerade einmal fünfzehn Jahren gibt Erling Haaland für den norwegischen Zweitligisten Bryne FSK sein Debüt im Profifußball. Ein dreiviertel Jahr später folgt der Sprung in die höchste Spielklasse. Innerhalb von zwei Jahren schießt er bei Molde FK siebzehn Zentimeter in die Höhe und legt an Physis zu, seither fliegt ihm der Spitzname „Manchild“ seines kindlichen Gemüts wegen um die Ohren. Mit dem Wechsel zu RB Salzburg öffnet sich im Januar 2019 das Tor zur Welt. In seinem ersten Champions-League-Spiel erzielt gegen den KRC Genk drei Tore in einer Halbzeit und avanciert damit zum drittjüngsten Spieler, der in diesem Wettbewerb einen Dreierpack erzielte, hinter Wayne Rooney und Raúl, die für das Kunststück allerdings neunzig Minuten benötigten. Die Wahl zu Österreichs Fußballer des Jahres lässt nicht lange auf sich warten. Seine Bilanz in der Alpenrepublik: 22 Pflichtspiele für Salzburg, 28 Tore und sieben Assists. Zwar stelle ihn das für den Moment zufrieden, befindet Haaland, „aber dann siehst du so Typen wie Kylian Mbappé in der Ligue 1 und denkst: Es geht immer noch ein Level höher im Fußball. Mein Ziel ist es, einer der besten Spieler der Welt zu werden.“
Dortmund als Durchgangsstation
Trotz zahlreicher Angebote europäischer Top-Klubs transferiert das norwegische Juwel zu Beginn des Jahres 2020 für rund zwanzig Millionen Euro zu Borussia Dortmund. Eine Karriere mit Kalkül. Auch Manchester United lockte, mit viel Geld und Renommee, und Haalands ehemaligem Trainer und Entdecker Ole Gunnar Solskjaer, der sich jedoch eine Absage einhandelte und dem Hochbegabten attestiert: „Er ist sehr gut darin, sich darauf zu fokussieren, was er auf dem Platz machen soll, anstatt darüber nachzudenken, wer auf der Tribüne sitzt und ihm zuschaut.“
Auch die „Königlichen“ von Real Madrid sollen bereits mehr als ein Auge auf Prinz Haaland geworfen haben, doch blickt dieser lieber zum schwedischen Nationalhelden und Weltstar Zlatan Ibrahimovic auf. Bewundert, wie jener „so gut geworden“ sei und wie er spiele. Zudem „ist er auch Skandinavier, also muss irgendwer mal für ihn übernehmen“.
Entstanden in 2003
Yesterday – Am Anfang war das Wort
„Weg vom Geist“: So lautet die wörtliche Übersetzung des lateinischen Begriffs „Demenz“. Wenn sich die Welt allmählich entzieht, spult sich das Leben rückwärts ab. Den Weg vom Erlernen zum Verlernen gehen immer mehr Menschen – und sind damit zunehmend auf andere Menschen angewiesen. Im diakonischen Henriettenstift in Hannover finden die Erkrankten professionelle Betreuung und treffen auf ihresgleichen.
„Bringen Sie mir die Akte Kiesinger!“ Richterin Mette Schütz* harte Gesichtszüge spannen sich noch energischer, ihre großen dringlichen Augen dulden keinen Widerspruch. Liebevoll streicheln ihre sehnigen Hände immerzu den braunen langhaarigen Dackel auf ihrem Schoß. Schwester Maren schiebt sie an ihren Platz am Frühstückstisch und stellt die Bremse des Rollstuhles fest. Dann nimmt sie der 94-Jährigen das Stofftier aus den Händen und breitet eine große weiße Serviette über ihre Beine.
Es ist 7 Uhr 30 im diakonischen Henriettenstift in Hannovers Südstadt. Nach und nach finden sich im Souterrain des Pflegezentrums für Seniorinnen die acht Alzheimer-Patientinnen zusammen. An den Oberfenstern bricht sich helles Morgenlicht, Schritte klingen geschäftig vorüber. Regungslos sitzt Liese Mette-Schütz, die einst Gesetzesrecht sprach, den Rücken an die Lehne gepresst, der Blick fällt vergessen nach vorn. Wenn sie nur hoch schauen würde, träfe sie der Tag. An der Küchenzeile brüht Schwester Evelyn Kaffee auf. Mit allen Sinnen gehört der Kasachin der Raum. „Dienen will ich“ hängt hölzern eingefasst an der Wand. Ringsum in offenen Wandschränken und Regalen kleine Figürchen und Plüschtiere, Bücher, Gesellschaftsspiele, gerahmte Fotografien und Sinnsprüche. Frau Wagner ist eingetreten, auffallend adrett nimmt sie sich aus, die Haare streng gebunden, mit fein besetzter Strickweste über der engkarierten Hose. Sie steht am Tisch und sieht ihn hinauf und herunter: „Wo ist mein Platz?“ kommt es, beinahe flüsternd, „das ist alles so neu für mich“. Wie schon gestern, vorgestern. Alle vierundzwanzig Stunden das gleiche Verwirrspiel. Behutsam spricht Schwester Maren ihr zu, nimmt die Hand und weist sie an ihren Platz.
Täglich auf ein Neues
„Guten Morgen, guten Morgen!“ tönt es breit und einvernehmend von der Tür. Hinter dem Gehwagen wartet endlich ein hageres Gesicht auf, tief gefurcht, und jedes Mal, wie mechanisch, schaukelt der Kopf zusammen mit der Begrüßungsformel leicht nach links aus, den bereits Sitzenden zugewandt, als nähme die Einlaufende ein Parade ab. Schwester Evelyn kommt flink herzu und geleitet die abgezehrte, zierliche Person um den Tisch herum an ihren Platz unterhalb des Fensterbandes, Liese Mette-Schütz schräg gegenüber. „Danke, Schwester.“ Frau Henkel sitzt. Gespannte Stille. Man beäugt sich rundum. Kennt sich. Lernt sich wieder neu kennen. Alzheimer.
Rita Hayworth und Ronald Reagan. Die Hirnmasse schrumpft um zwanzig Prozent. Hier schleppender, dort mit Rasanz. Irreversibel, ein Verfall auf Raten. Am Ende steht das Schweigen. Das Urteil leugnen oder annehmen. Einspruch zwecklos. Das weiß auch die auf Lebenszeit ernannte Richterin Mette-Schütz. Wenn sie es noch weiß. Demenzerkrankt sind neun von zehn der achtzig Bewohnerinnen des Pflegezentrums. Besondere Betreuung wie Ulrike Mette-Schütz erfahren jene, die bereits zu tief ins Vergessen gerutscht sind. In der „Strukturierten Tagesgruppe für Alzheimerpatienten“ wollen Schwester Maren und Schwester Evelyn den Alten ein verlässlicher Hort sein, ihnen ein gleichmäßig gestaltetes Lebensgefüge schaffen. Einen Vormittag lang. Montags bis freitags. Einschließlich Mittagessen. Irgend fähig der Gruppe beizuwohnen, formen die Frauen gemeinsam mit den Altenpflegerinnen die Stunden aus: Es wird gespielt, gegessen, erzählt, Sitzgymnastik gemacht, vorgelesen, gesunden, Gedichte erinnert, im Stiftsgarten spaziert. Auf dem Weg des Vergessens geht es sich zusammen leichter.
„Keine Erfolgserlebnisse“
„Die Alten werden wieder zu Babys.“ Heimleiterin Schwester Ursula Landwehr, groß, herzig, unverwandt, ist Seele und Schaltstelle des Altenzentrums. Geschieden, dreifache Mutter und Großmutter, begann sie 1991 mit knapp fünfzig Jahren ihr zweites Leben. Anfänglich Altenpflegeschülerin, folgte sie der Empfehlung des Stifts in Hildesheim zu studieren. Derweil weist sie ihr Beruf als Diplomkauffrau für Pflegemanagement aus. Ihre Mitarbeiterinnen ein Potpourri aus aller Welt Länder, die Hälfte ist examiniertes Personal. Viele Pflegehelferinnen kommen aus Russland und Polen, sogar aus Afrika, darunter Ärztinnen, die in Deutschland keine Anerkennung finden. Vier Altenpflegeschülerinnen und zwei Physiotherapeutinnen komplettieren den Betreuungsstab. Studentische Aushilfen sucht man vergebens. „Wiedererkennung ist für die Alten sehr wichtig“, sagt Ursula Landwehr. Nüchtern konstatiert sie: „Es gibt wenige gute deutsche Altenpflegerinnen. Der Beruf ist hart, körperlich und psychisch. Es gibt keine Erfolgserlebnisse , die Kranken und Alten sterben im Heim.“ Knappes Budget zwingt Einsparungen allerorten, auch an Personal: „Geld gibt es nur aus Mitteln der Pflegestufe eins. Das Problem ist doch – “, hebt sie vorsichtig an, und landet auf dem Punkt: „Demenz wird nur langsam anerkannt.“ Pause. Ursula Landwehr spricht ruhig, erfahren: „Dabei ist ständige Fürsorge unbedingt erforderlich: Waschen, Anziehen, Essen, Abführen …“ Pause.
„Frau Henkel, geben Sie bitte die Löffel an Frau Kiefel weiter?“ Der Geschirrtransport stockt. Freundlich und bestimmt richtet sich Schwester Evelyn an Frau Henkel. Ein Aufzucken, dann wandern Arm und Blick unentschlossen zur Seite, die Hand öffnet s ich in Zeitlupe. Nur keine falsche Bewegung. Erstaunt sieht Frau Kiefel in ihrer aprikosenfarbenen Festtagsbluse ihre Nachbarin an und nimmt die Gabe wie ein Geschenk entgegen. „Was fehlt noch auf dem Tisch?“, fragt Schwester Evelyn in die frühstücksbereite Schar. „Kaffee!“ platzt Frau Klein heraus, strahlt weit und offen über das ganze Gesicht, entzündet auf den Lippen von Schwester Evelyn ein anerkennendes Lächeln. Frau Wemering streicht über den runden Deckel des zweiteiligen, geschlossenen Eierbechers. Glatt und angenehm fühlt sich das Plastik an. Was wohl darunter versteckt ist? In die Stille des Raumes hinein spricht Frau Gerwin das Tischgebet: „Jesu komm‘, sei unser Gast“.
Schichtdienst statt Schwestern
„Unsere Mitarbeiter müssen christlichen Glauben haben, und diesen Glauben leben. Kirchenmitgliedschaft ist Pflicht.“ Ursula Landwehr und ihr Team knüpfen an die lange diakonische Tradition des Henriettenstifts an. Wohl sind die Zeiten der Diakonissen im Dienst gezählt, das griechische ‚diaconia‘, die Hilfe von Mensch zu Mensch, lebt unangetastet weiter. Im Juli 2001 trat die letzte Diakonisse mit 65 Jahren in den Ruhestand: gegenwärtig zwölf sind es, deren Lebensabende in den Zimmern des Altenzentrums verklingen. Ursula Landwehr weiß um die eingefahrenen Ideologien: „Die Diakonissen möchten weiterarbeiten. Sie verstehen es nicht, wenn man sie nicht mehr braucht.“ Ruhestand? 35-Stunden-Wochen? „Noch 1950 waren es 500 Diakonissen im gesamten Henriettenstift, die einen Tag bestimmt haben. Heute geht das Pflegepersonal der Frühschicht mittags um eins nach Hause.“ Sozialabgaben, dreizehntes Monatsgehalt – in den Ohren der Veteranen beinahe eine Beleidigung. Die Henriettenstiftung in früheren Tagen ohne seinen mönchisch beflissenen, lohnverzichtenden Glaubensschwestern – es allein denken wollen, missriet. Meer ohne Wasser? Das Stift, die Schwestern, beides war eins, oder ergab ein.
Alles begann mit sechstausend Talern, die Herzogin Henriette von Württemberg ihrer Enkelin Marie, ihrer Zeit Königin von Hannover, anlässlich ihres Todes vermachte. Und weil die Großmutter zeitlebens den Armen zugetan gewesen war, legt Marie vermöge ihres Erbes anno 1860 den Grundstock für die Stiftung eines Diakonissenhauses in Hannover, und den Namen der Großmutter dazu. Neben dem Krankenhaus mit seinen anfangs zwanzig Betten entwickelten sich rasch Pflegedienste, eine Krippe, Kleinkinderschulen, Hilfen für ledige Mütter, Sieche und mittellose, alte Menschen. Zu deren Bedienstung setzte das Stift von nun an regelmäßig junge Mädchen und Frauen ein und bildete sie zu Diakonissen aus, konform den wegleitenden Grundsätzen des evangelischen Theologen Theodor Fliedner, der in Kaiserswerth bei Düsseldorf im Jahre 1836 die erste Diakonissenanstalt ins Leben gerufen hatte. So gab es nun ein neues und offizielles Arbeitsfeld für Frauen, denen es bis dahin lediglich vergönnt war, eine billige Hilfsstelle auszuführen oder im Kloster zu enden, wenn sie nicht gerade heirateten. Der Schwesternschaft des Henriettenstifts als erste Oberin vorständig war Emmy Dankwarts, „ … ein Typus jener wundervollen Mischung von Charakterfestigkeit und Herzensgüte. Durchdrungen von der Pflicht der Unterordnung, war sie zugleich ganz frei“. Der Feder entführt sind diese Erinnerungsworte Theodor Fontane, der Emmy Dankwarts anno 1848/49 in Berlin zur Apothekerin ausgebildet hatte und der späterhin zum Reiseschriftsteller und Dichtervater Effi Briests avancierte.
„Soll ich denn nun in die Hose machen?“ Frau Henkel mustert Schwester Maren scharf. Zu zweit geht es auf die Toilette. „Das ist alles so neu für mich“, entfährt es leider Frau Wagner in ihrer schicken Strickweste. Auf dem gewebten kastanienbraunen Wandbehang bildet ein bunte Notenfolge „Weißt du, wie viel Sternlein stehen“. Das Brötchen von Frau Claus ist über und über mit Himbeermarmelade bedackt, die bei jedem Zubeißen dick und schwer herunter tropft. „Guten Morgen, guten Morgen“, langgezogen schallt es, und schon kommt der Gehwagen mit Frau Henkel wieder hereingerollt. Frau Klein sieht auf, einen Moment lang. Dann richtet sie unschlüssig mit beiden Händen ihr schlohweißes Haupt.
Letzte Station Feierabendheim
„Ich bin krank gewesen und ihr habt mich besucht“: In diesen Worten Christi nach Matthäus 25, Vers 36 wurzelt der diakonische Auftrag des Henriettenstifts. „Diaconia“ meint mithin dreifachen Dienst: martyria, leiturgia und koinonia – Glaubensbekenntnis, Gottesdienst- und Anbetung sowie die Gemeinschaft in Christus. In seiner Festtagsrede zum 25. Jahrestag der Stiftsgründung hält der Diakonissenpastor Gerhard Uhlhorn 1885 fest: „Weh, wenn hier je andere Gedanken Platz griffen, wenn die Schwestern, die hier arbeiten, je meinten, damit in irgendwelcher Weise ein Verdienst für sich zu erwerben, dann wär’s ja nichts als eine leere Form, eine Lampe ohne Öl …“ Ehelosigkeit, Askese, Verzicht auf die freie Wahl des Einsatzortes: Dieses unbedingte und weltentsagende Los waren ab Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts immer weniger Frauen bereit zu tragen. Rapide verkehrten sich die Zahlen der Diakonissen-Anwärterinnen, wohingegen die Alten, aus dem Dienst Geschiedenen, im Spätherbst ihres Lebens weiterhin traditionsgetreu dem „Feierabendheim“ des Diakonissenhauses beitraten.
Schwester Martha, 91, klein und dürr, trägt noch immer die weite blaue Robe mit dem weißen Kragen, ein weißes Häubchen und das schlichte Kreuz vor der Brust. Sie sitzt im Nachbarzimmer neben der greisen Frau Benz auf dem Sofa und beteuert, dass sie hier täglich nach dem Rechten sähe, schließlich sei Frau Benz bereits 103 und ziemlich durcheinander. Genaues weiß sie nicht mehr, indes: „Wir waren 1930 zwanzig bis dreißig Probeschwestern, und acht wurden nicht übernommen.“ In Hildesheim hat sie gearbeitet, eine Zeitlang, bis sie den NSDAP-Schwestern weichen musste. Gleich den anderen elf Diakonissen wohnt Schwester Martha nun im Altenzentrum; der „Strukturierten Tagesgruppe für Alzheimerpatienten“ angehörig ist keine von ihnen. Gemeinhim begegnen die betagten Schwestern den übrigen Bewohnerinnen in einem überkommenen Selbstverständnis. „Wir wohnen hier, aber die anderen sind auch noch da“, bedeutet Ursula Landwehr süffisant die Denkensart der Diakonissen.
Exkursion in Kindertage
„Kommt ein Vogel geflogen, setzt sich nieder auf mein‘ Fuß“, hat Frau Wagner gerade noch gesungen, als sie beim Memory eine Elster aufdeckte. Nun sitzt sie schweigsam im Baumschatten auf der Bank. Alle haben sich um den mächtigen Steintisch im Stiftsgarten gruppiert, viele Vögel konzertieren im Gezweig. „Wer kennt Frau Holle?“ Schwester Evelyn hat „Mein schönstes Märchenbuch“ auf ihrem Schoß aufgeschlagen und blick erwartungsvoll in die Runde. Frau Gerwin hebt artig den Arm. Andere nicken stumm. Während des Vorlesens hält Schwester Evelyn immer wieder inne, dreht das Buch und zeigt die dem Text beigefügten Illustrationen herum: „Was hat der Apfelbaum gerufen?“ Rätselnde Gesichter, dann eine entschiedene Frau Gerwin: „Schüttle mich!“ In den Augen steht ein Leuchten. Verhalten kommt es von irgendwo: „Es ist wunderschön hier.“
Zum Mittag Sauerkraut, Bratwurst, Kartoffeln. Frau Henkels Gabel fällt auf den Boden. Ihre Miene verzieht sich jäh zum Zorn, sie beginnt den Kopf zu schütteln, dann schlagen ihre Handinnenflächen wieder und wieder an die Stirn: „Ich kann mir einfach nichts merken“, ruft sie, dann fällt ihre Stimme ab: „Manchmal will ich nur noch sterben.“ Verzweiflung und Ohnmacht kriechen über das tiefgefurchte Gesicht. Ein Moment des Wissens. Gleich hat sie es wieder vergessen. Dann bringt sie die Schwester zurück nach Hause, aufs Zimmer, wo das Gestern wohnt.
*alle lebenden Personen sind namentlich verändert
INFOBLOCK:
Diakonissen sind Angehörige evangelisch-kirchlicher Gemeinschafften, die sich besonders der Fürsorge und Liebestätigkeit widmen. Sie werden in Diakonissenhäusern (Diakonissen-Mutterhäusern) ausgebildet, als Schwesternschaft in eigener Tracht zusammengefasst, in die praktische Arbeit gestellt und in Krankheit und Alter durch eigene Erholungsstätten versorgt. Ihre Arbeit wird aus religiösen Motiven geleistet, es gibt keine tarifliche Entlohnung.
Die Henriettenstiftung wurde 1860 als Diakonissenmutterhaus und Krankenhaus gegründet. Heute verfügt das Krankenhaus über 583 Betten in 13 Kliniken und Fachabteilungen. In den Altenzentren leben etwa Bewohner. Daneben gibt es Aus- und Weiterbildungsstätten mit 300 Plätzen, eine Krankengymnastikschule und eine Fachweiterbildung für medizinische Rehabilitation und Geriatrie. Anschrift: Marienstraße 72-90, 30171 Hannover
Die Traumfabrik – Von Hartz IV zur Haute Couture
„Ich überrasche mich selbst immer wieder“, sagt die Mode- und Kostümdesignerin Maria Lucas von sich und meint damit vor allem das Erfinden neuer Kollektionslinien. Gerade das Krisenjahr 2009, in dem die Modebranche weithin am Stock ging, entpuppte sich für Lucas als Wegbereiter für ein neues, erfolgversprechendes Geschäftsmodell. Heraus aus langen Krisen haben es auch Manfred Meier und Renate Sekulla geschafft, deren Leben gekennzeichnet ist von Berufsabbrüchen, befristeten Jobangeboten und jahrelanger Arbeitslosigkeit. Heute zaubern die ehemaligen Arge-Klienten als Schneider und Modistin für Maria Lucas Haute Couture und Kostümmode. Ohne die Bereitschaft zu Neuanfängen, Risiken und zum geduldigen Ausharren wären alle drei wohl nicht da angekommen, wo sie heute sind: bei sich selbst.
Der Eintritt in die Welt der Phantasie kostet nur einen Schritt. Jenseits der Türschwelle zu Maria Lucas` Modeatelier und Boutique in Köln-Braunsfeld warten glitzernd-glamoröse Abendkleider, elegante Businessmode für Männer und aufwendig gearbeitete Roben für Seeräuberbräute und Edelmänner. Bei Maria Lucas treffen sich Haute Couture, Show und Karneval. Gewinner der Goldenen Kamera und Karnevalsprinzessinnen. Und da die diesjährige Session gerade ihrem Höhepunkt entgegen fiebert, arbeitet das derzeit zwanzigköpfige Team um Maria Lucas auf vollen Touren.
Mit der Schaffung des neuen Segments „Maria Lucas Costüme“ vor anderthalb Jahren hat die umtriebige Mode- und Kostümdesignerin sich wieder einmal neu erfunden und damit den großen Wurf gelandet: „Das hat uns wunderbar wie eine Wolke über die Krise hinweg getragen!“ Maria Lucas spielt auf die tiefgehenden Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise an, die auch die Modebranche kräftig durchgeschüttelt hat. Sie gestikuliert gern und weitet ihre schmalen, dunkel schimmernden Augen: „Die Kreativität ist ein Wirtschaftsfaktor!“ Bereits in den Jahren 2006 und 2007 habe sie neben der Konzentration auf luxuriöse Abend- und Eventmode die Phantasie-Kostümlinie „Piraten“ entwickelt: „Als Hobby, aus Quatsch. Und in der Krisenzeit konnten wir genau davon leben!“ Heute mache die Kostüm-Kollektion ihr Hauptgeschäft aus. Arrangements für Oper, Schauspiel und das Fernsehen, für das sie etwa verschiedene TV-Shows ausstattet, gesellen sich hinzu.
Aus der Krise geboren: Kollektionen für den schmaleren Geldbeutel
Maria Lucas fällt ein Eintrag in ihr einstiges Poesiealbum ein: „Dort stand: ‚Sei wie das Veilchen im Moose: sittsam, bescheiden, nicht wie eine stolze Rose, die immer bewundert sein will.‘ Aber alles, was ich beruflich mache, hat ja doch eher mit der Rose zu tun!“ Sie muss laut auflachen.
Auf dem Tisch liegen mehrere Ausgaben der „BUNTEN“ aufgeschlagen. Einige Male strahlt die Film- und Fernsehschauspielerin Suzanne von Borsody dem Leser großformatig in Kleidern von Maria Lucas entgegen: Tief dekolletiert in schwarzer Spitze und mit Tüllrosen, in einem schulterfreien Paillettenkleid und – anlässlich der letztjährigen Bambi-Verleihung – eingehüllt in ein eng anliegendes leuchtend rotes, über und über mit kleinen Rosen besetztes Perlen-Pailletten-Kleid. Der schöne Schein täuscht. Gerade bei den Abendkleidern habe es in 2009 einen heftigen Einbruch gegeben, sagt Maria Lucas. Und gibt zu: „Bei wirtschaftlichen Umwälzungen wie im letzten Jahr habe ich Angst.“ Lediglich elfmal habe sie fürs Fernsehen gearbeitet, bei sonst vierzig Arrangements. Doch habe sie mittlerweile von der Angst zu profitieren gelernt, und so sei ihr im Krisenjahr wiederum eine neue Geschäftsidee in den Sinn gekommen: „Wenn ich die Angst so klein habe, dass sie realistisch ist, fang ich an mit ihr zu sprechen und frage sie: `Was ist los?` In diesem konkreten Fall sagte die Angst: `Du arbeitest in einem Sektor, der im Moment nicht gut funktioniert, dem Luxussektor. Du müsstest einen Luxusfaktor entwickeln, der bezahlbarer ist.` Und dann habe ich eine Kollektion entwickelt, bei der die Kleider etwa zwischen 200 und 600 Euro kosten.“ Und nicht bis zu dreitausend Euro. Fünf Seiten war der „BUNTEN“ die Kollektion aus kombinierbaren Corsagen- und Transparentkleidern wert.
An der gegenüberliegenden Wandseite des repräsentativ gestalteten „Showrooms“ reihen sich auf einem Laufsteg Modeplastiken in exquisiter Abendrobe aus dem Hause Lucas. Vor einem hohen, rechtwinklig angrenzenden Spiegel liegen bunte Stoffbänder auf dem Fußboden, wie hingeworfen. Eine großzügige Ankleidekabine steht solitär im Raum. Die erste Laufsteg-Figur, gleich eingangs des Raums, trägt das Rosenkleid der Borsody auf.
Langer Anlauf für den großen Auftritt
„Ich hing vor dem Fernseher, so ein Stück davor!“ Manfred Meier erinnert sich an den Bühnenauftritt der Schauspielerin bei der Bambi-Verleihung im November und führt seine Handinnenflächen bis auf zwanzig Zentimeter zusammen. Der Schneider des Rosenkleides, dessen ganzer Habitus auf den ersten Blick zurückhaltende Bodenständigkeit versprüht, ist sich sicher: „Zu wissen, dass die Frau sich sehr wohl gefühlt hat, als sie da hoch gegangen ist. Das war für mich die größte Freude.“ Aufgrund seiner eigenen Bühnenerfahrung als gelegentlicher Travestiekünstler könne der 44-Jährige das Gefühl, im Rampenlicht zu stehen, gut nachempfinden. Als übriger Mensch stand er lange auf der Schattenseite: Berufliche Misserfolge, lange Zeiten der Einsamkeit und Orientierungslosigkeit pflastern seinen Lebensweg. Der große Wendepunkt in Meiers Leben geschah Ende August 2009, als die Arge, die von Stadt und Arbeitsagentur getragen wird, ihm nach fünf Jahren Arbeitslosigkeit einen Vorstellungstermin bei Maria Lucas vermittelte. „Bei der ersten Begegnung war ich noch im Zweifel“, erinnert sich die Modedesignerin. Aber als ich hörte, dass er Lastwagenfahrer war und auf Mode umgeschult hat, da wusste ich: Das ist ein Leidenschaftlicher. Das ist ein Besessener. Sonst machst du so was nicht.“
Meiers letzte berufliche Veränderung, eine dreijährige Umschulung zum Herrenschneider in der Kölner Kostümwerkstatt, hatte im Jahr 2000 ihren Anfang genommen. Der Liebe wegen war er nach Köln gezogen, nachdem er seinen Job als Lkw-Fahrer verloren hatte. Jetzt durfte er Kostüme für Schauspiel und Oper professionell nähen lernen, für Meier ein Traum: „Ich habe gesagt: Jetzt möchte ich gern mein Hobby zum Beruf machen. Bisher waren die Berufe immer vorgegeben gewesen.“ Als Bäcker, Maler und Lackierer und Lkw-Fahrer hatte Meier sich verdingt, mit Gelegenheitsjobs gedient, immer wieder war er arbeitslos geworden. Häufig war sein angeborenes Fußleiden ihm zum Verhängnis geworden, das ihm langes Stehen und Punktbelastungen verbietet. Nach der Ausbildung zum Herrenschneider folgten vergebliche Bewerbungsanläufe bei Theatern und Opern, die Absagen führt Meier unter anderem auf sein fortgeschrittenes Alter zurück: „Das hat die stutzig gemacht, dazu der Lebenslauf, und immer wieder die Frage: Wie kommen Sie vom Lkw-Fahrer auf Schneider?“ Manfred Meier verlor den Mut und den Glauben an sich selbst. Er brach Kontakte ab, zog sich immer mehr zurück: „Du hast drei Jobs, eine Lehre und stehst auf der Straße. Es ist dieses Gefühl: Du wirst nicht gebraucht.“ Für Meier schien die Durststrecke kein Ende zu finden.
Arge: Letzte Ausfahrt und Kooperationspartner
„Die Leute, die lange arbeitslos sind, machen immer einen nieder- und angeschlagenen Eindruck“, sagt Maria Lucas. Sie lud Meier zu einem Probetag und trug ihm auf, einen Gehrock, oder besser „Justaucorps“, zusammen zu nähen. Daraufhin bekam er den Zuschlag für eine sechsmonatige Probezeit. Ohne die Arge, macht Maria Lucas deutlich, hätte Manfred Meier bedauerlicherweise nie bei ihr arbeiten können. Die Arge entlaste sie durch die finanzielle Förderung ihrer Klienten und helfe ihr dabei, eine „Person auszuprobieren, das Talent zu entdecken und zu trainieren. Das ist eine gemeinsame Arbeit, so jemanden wie Herrn Meier wieder zurück zu führen.“
Verliebt in Sissi und das Nähen
Anfang der 1990er Jahre war Meier zum Nähen gekommen und schuf als erstes Produkt ein Reifrockkleid für Karneval, ein „Sissikleid“, wie er es nennt. Als Kind habe er die opulenten Rokoko-Kleider und rauschenden Ball-Auftritte im Fernsehen bewundert. Die Nähmaschine hatte Meier sich während der Ausbildung zum Maler und Lackierer gekauft. Bald entdeckte er die Travestie als Hobby und entwarf und nähte die Kleider für seine Auftritte fortan selbst. Dazu Hemden, Hosen und Jacken für den alltäglichen Gebrauch: „Ich hab gemerkt, dass das für mich eigentlich mehr als ein Hobby ist, weil ich mich stundenlang damit beschäftigen konnte.“
Bei Maria Lucas hat sich die Leidenschaft für Modedesign bereits vor gut drei Jahrzehnten zur Profession ausgewachsen. Werkstätten in Delhi und bei Köln liefern ihrem Atelier zu. „Ich hatte nie ein Bild von dem, was ich sein wollte, sondern immer davon, was ich machen wollte“, erzählt die gebürtige Madrilenin. Bereits als kleines Kind habe sie Kleider auf Papier gezeichnet, ausgeschnitten und für eine halbe Pesete an die Mutter oder Tante verkauft. Mit sieben Jahren siedelte sie nach Deutschland über.
Sehnsucht nach der eigenen Form
Ihr Faible für modische Extravaganz findet sie einmal in Erinnerungsbildern an die opulent ausgestatteten andalusischen Kirchen und zum Zweiten in ihrer späteren Umgebung begründet: „Ich bin in den siebziger Jahren in ganz strengen Nonnenklöstern groß geworden, wo man keine Hosen tragen und keine weiblichen Attribute zeigen durfte. Danach hatte ich das Bedürfnis mich auszuleben und übers Ziel hinauszuschießen in der Kreativität.“ Dankbar blickt sie auf ihre Ausbildung bei einer Gewandhausmeisterin zurück, wo sie gelernt habe, Bühnenkostüme herzustellen: „Die Sachen, die wir heute machen, ist eine Verschmelzung von dieser Bühnentechnik und der normalen Schneiderei.“ Eine weitere Ausbildung bei einer renommierten Düsseldorfer Modeschule brach sie nach anderthalb Jahren ab, „weil die mich viel zu sehr eingeengt haben und meine freien, wilden Entwürfe nicht gefördert, sondern eher bestraft haben.“ Kurzerhand nahm sie einen Kredit über fünftausend DM auf, kaufte sich eine Nähmaschine, mietete einen Keller an und hängte ein Schild an die Tür, mit der Aufschrift „Kostüm-Atelier“. Bereits mit Anfang zwanzig katapultierte sie sich mit einer Kostüm-Inszenierung für Cirkus Roncalli in die öffentlichen Schlagzeilen. Zunächst kreierte sie für Bühne, Oper und TV, dann kam die Abendgarderobe hinzu: „Ich war irrsinnig fleißig. Ich war einfach besessen davon. Ich wollte nichts anderes machen.“
Besessen wie Manfred Meier. Und wohl auch Renate Sekulla. „Die macht in Sekunden Hüte! Die ist einfach virtuos. Wie eine kleine Zauberin“, entfährt es Maria Lucas. Und man glaubt es ihr aufs Wort. Seit anderthalb Jahren arbeitet die 48-Jährige für Maria Lucas als Modistin und gehört damit einer Spezies an, die auszusterben droht. Aus Tüll, Stoff, Filz und Federn kreiert sie Hüte aller Couleur: fantasievolle Damenhüte, Gestecke für Abendkleider, Zwei- und Dreispitze, goldbesprühte, auf alt getrimmte Piratenhüte, und, und, und. Wie ihr Kollege Meier war Renate Sekulla langzeitarbeitslos. Zwei bis drei Hüte hatte sie fertigen sollen an ihrem von der Arge vermittelten Probetag bei Maria Lucas. Neun sind es geworden, erinnert sich Sekulla, die forsch und zielsicher wirkt, und ruft den Tag noch einmal ab: „Auf einmal war ich wieder drin, in diesem Beruf, in diesem Kreativen, als wenn eine Spule in meinem Kopf läuft und alles wieder zurückholt.“
Irrfahrt durch ein halbes Leben
Renate Sekulla ist 24 Jahre alt, als ihr das Arbeitsamt eine überbetriebliche Ausbildung zur Modistin anbietet. Hinter ihr liegen viele kleine, gelegentliche Jobs, auf Märkten, in der Gastronomie, dazu hatte sie vergeblich versucht, einen Blumenladen mit aufzuziehen. Ihre Ausbilderin, eine 53-jährige Hutmeisterin, möchte selbst noch einmal neu durchstarten. Von den insgesamt dreizehn Auszubildenden bekommen im Anschluss nur drei eine Arbeitsstelle, beim Theater, einem Hutladen, einer Hutfabrik, die beide bald nicht mehr existieren sollen. Renate Sekulla könnte vielleicht irgendwo in Bayern in einer Fabrik Tirolerhütchen von der Stange fertigen, aber nein, das möchte sie nicht. Und so nimmt sie weitere Jobs an, in Kinderheimen, in der Altenpflege. Heiratet, bekommt drei Kinder, übernimmt das Haus ihrer Eltern und richtet sich im Keller eine Hutwerkstatt ein. Doch ihr Kundenkreis rekrutiert sich hauptsächlich aus dem Arbeitermilieu, dem sie selbst entstammt: „Und die kennen die Leute nicht, die das Geld haben, um für 200 Euro einen Hut zu kaufen. Man macht`s dann halt für den Materialpreis.“ Anlässe, wie etwa Hochzeiten, bieten sich selten genug. Beim Arbeitsamt spricht sie vor. Immer wieder. Eine Stelle als Modistin vermitteln kann niemand. „Dann habe ich es irgendwann ganz aufgegeben. Hatte einen Hut in der Hand und dachte: Den zerquetscht du jetzt nur noch. Ich hatte gar kein Gefühl mehr dafür. Und hatte es verlernt, in mehr als zwanzig Jahren. Ich war beinahe nicht mehr in der Lage einen Knopf anzunähen. Dieses Kreative – alles weg.“ Wieder geht die mittlerweile Alleinerziehende diversen Jobs nach. Eine Umschulung zur Ergotherapeutin bricht sie nach einem Jahr ab: Das Arbeiten, Lernen und die Kinder sind in der Summe zu viel. Dazu ein schwerer Unfall ihres Lebensgefährten, der diesem beinahe das Leben kostet. Jahre vergehen, dann in 2008 wieder einer dieser vielen Gesprächstermine bei der Arge. Noch einmal unterstreicht Sekulla ihren Wunsch, als Modistin arbeiten zu wollen. Helfen kann der Berater selbst nicht, reicht das Anliegen jedoch offenbar intern weiter, denn irgendwann erhält Renate Sekulla den entscheidenden Hinweis, Maria Lucas suche händeringend nach einer Modistin.
Die Liebe zum Beruf als Antrieb zum Aufbruch aus allen Lagen
Heute gibt es Tage, an denen Sekulla bis zu sechzig Hüte fertigt, wenn etwa Karnevalsgesellschaften in Uniformen auftreten. Oder sie behütet Models wie beispielsweise Estefania Küster, wenn ein Fotoshoting ansteht. Wie Maria Lucas profitiert auch Sekulla heute noch von ihrer Ausbilderin: „Die hat uns wirklich Haute Couture beigebracht. Da wurde so genäht, dass der Faden blind unterm Stoff liegt. Man hat keine Naht gesehen.“
Auf die Frage, welche Eigenschaften Renate Sekulla am meisten auszeichnen, kommt es von Maria Lucas wie aus der Pistole geschossen zurück: „Begabung.“ Kurz folgt eine Pause, dann: „Sie ist kreativ und begabt, fleißig und schnell, irrsinnig schnell.“ Bei Manfred Meier führt sie neben der „Besessenheit“ für den Beruf „sehr fleißig und total zuverlässig“ an. Meier selbst verweist noch auf eine Voraussetzung, die man mitbringen müsse, um trotz widriger Umstände immer wieder neu durchstarten zu können: „Die Liebe zum Beruf. Wenn ich mich früher zu Hause zurückgezogen habe, habe ich genäht! Ich habe ungefähr siebzig Hemden im Schrank. Diese Liebe hält aufrecht, auch wenn`s mal nicht klappt.“
Gesucht: Chancengeber für Gestrandete
Doch alle Zähigkeit reicht augenscheinlich nicht zum Durchbruch, wenn sich nicht jemand findet, der vermeintlich „Gescheiterten“ eine neue Chance gibt sich auszuprobieren, eben nicht auf Alter und Lebenslauf schielt, sondern tatsächliche Fähigkeiten zu entdecken bereit ist. Und ihnen im besten Falle einen beruflichen Neuanfang gewährt.
Seitdem sie dort angekommen sind, wo ihre individuellen Fähigkeiten Anerkennung und den besten Ausdruck finden sowie weiter perfektioniert werden können, sind Renate Sekulla und Manfred Meier wesentlich mutiger und selbstbewusster geworden. „Ich fühle mich total inspiriert“, befindet Sekulla. Manfred Meiers Probezeit endet im März, doch stehen momentan alle Zeichen auf Übernahme. Im Moment zähle für ihn nur der Augenblick, sagt Meier und schildert, wie sich Vergangenheit und Gegenwart in ihm mischen: „Wo ich mich früher immer weiter runtergestuft gefühlt habe, gehe ich nun die Leiter wieder hoch. Ich habe aber nicht das Gefühl, dass ich oben bin, sondern gehe Schritt für Schritt.“
Entstanden in 2004 (gesendet in radio flora / Hannover)
Radio-Feature: Blind – und die andren Sinne schlummern nur
Fünf minus eins: Die Welt hören, riechen, schmecken und tasten. Ohne den sehenden Sinn wächst den verbleibenden anderen umso mehr Bedeutung zu. Wie lässt sich Zugang zur Außenwelt gewinnen, wenn das Sehen nie da war? Ist das Fehlen dieses Sinnes, der dem Gehirn rund 80 Prozent aller Informationen aus der Umwelt liefert, in diesen Fällen überhaupt ein Verzicht? Und wie lässt sich die Welt weiter erschließen, wenn der Sinn des Sehens abhanden kommt? Claus hat Zugang zu dieser Welt gefunden, finden müssen. Martina kennt das Sehen nicht. Zwei Perspektiven auf ein Leben ohne Licht.
Länge: 59.59 min.